Der Sänger, der heute ehrfürchtig als Urgrossvater des Heavy Metal bezeichnet wird, erblickt am 3. Dezember 1948 als John Michael Osbourne im englischen Aston das Licht der Welt. Sein Leben ist schon früh von seelischen Grausamkeiten überschattet: Als Elfjähriger wird er von älteren Schülern sexuell gedemütigt. Sein Trauma kann er erst viele Jahre später mit Hilfe eines Therapeuten und in blutrünstigen Bühnenorgien verarbeiten.
Nach der Schulzeit jobbt der fanatische Beatles-Fan in einem Schlachthaus. Um diesem Job zu entkommen, gründet er mit drei ehemaligen Schulkameraden die Bluesband Polka Tulk, die sich alsbald in Earth umbenennt. Der Bassist Geezer Butler, der Gitarrist Tommi Iommi, der Schlagzeuger Bill Ward und der Sänger John Osbourne, der von allen Ozzy genannt wird, spielen praktisch an jeder englischen Strassenecke und stranden Ende 1967 im Hamburger Starclub. Dort brechen sie den Rekord der Beatles als längste Hausband.
«John, bist du sicher, dass du nur Bier trinkst?»
Geezer Butler, der ein grosser Fan der Romane des britischen Autors Dennis Wheatley ist, die sich um Satanismus und schwarze Magie drehen, schlägt 1969 den Namen Black Sabbath vor. Die Band hat schnell einen eigenen Stil entwickelt: Iommis schwere Gitarrenriffs verschmelzen mit Butlers düsteren Texten und Osbournes kehliger Raspelstimme. Das okkulte Débutalbum «Black Sabbath» erscheint am Freitag, dem 13. Februar 1970, und gilt heute als Meilenstein des Heavy Metal. Daddy Osbourne kommentiert das Werk mit den Worten: «John, bist du sicher, dass du nur Bier trinkst?» Dennoch giesst er an seiner Arbeitsstelle Aluminiumkreuze für seinen Filius und dessen Freunde. Seitdem wird Heavy Metal immer wieder mit religiösen Symbolen assoziiert.
1971 erobern die Briten mit der Single «Paranoid» die deutschen Charts. Bald darauf heiratet Ozzy die junge Thelma. Das Paar hat zwei Kinder. Ende der 70er lernt er Sharon Arden kennen, seine grosse Liebe und Managerin. Bis dahin gelingen Black Sabbath weitere Hits wie «Iron Man», «Sabbath Bloody Sabbath» und «Am I Going Insane (Radio)», an deren Entstehung sich der exzentrische Sänger kaum mehr zu erinnern vermag.
Solokarriere mit Gitarrist Randy Rhoads
«Ich habe diese Form von Musik nicht bewusst erfunden», gesteht er. «Das war wahrscheinlich meiner Leidenschaft für die Beatles und zeitgenössischen Bluesbands wie John Mayall, Fleetwood Mac und Savoy Brown geschuldet.» Andererseits hat sich sein erster Kokain-Rausch unauslöschlich in sein Hirn eingebrannt: «Ich hatte das Gefühl, darauf mein ganzes Leben gewartet zu haben.»
«Diesem Kick jagt man fortwährend nach. Er lässt sich aber nicht wiederholen.»
Aus Angst, eines Tages in einem Sarg von der Bühne getragen zu werden, trennt sich der «Madman des Rock ’n’ Roll» 1979 von Black Sabbath. Seine Solokarriere mit dem begnadeten Heavy-Metal-Gitarristen Randy Rhoads im Rücken beginnt fulminant. Als bis dahin einziger Künstler hält Ozzy Osbourne mit vier verschiedenen Alben gleichzeitig Einzug in die US-Billboard-Charts.
Biss in die Fledermaus
Jenseits des Ruhms liest sich sein Leben wie eine Folge von apokalyptischen Erlebnissen und bizarren Selbstreflexionen. Als Hobbypilot Randy Rhoads in einem Leichtflugzeug den Bandbus zu umsegeln versucht, passiert ein tragischer Unfall, der den Gitarristen das Leben kostet – während Ozzy selbst mit dem Schrecken davonkommt. Im Glauben, es handele sich lediglich um ein Spielzeug, beisst der Bühnenberserker am 20. Januar 1982 in Des Moines im Cognac-Rausch einer betäubten Fledermaus den Kopf ab. Die anschliessenden Tollwutimpfungen sind für ihn eine Tortur:
«Es fühlte sich an, als injizierte man mir Golfbälle in den Hintern.»
Die Beziehung zwischen Sharon und Ozzy überlebt alle Höhen und Tiefen. Unter ihrer Obhut entwickelt er sich vom Musiker zum Markenzeichen und beugt sich ihren Entscheidungen. Seine Shows, die er ab 1997 sporadisch auch wieder mit Black Sabbath bestreitet, bieten einen deutlich höheren Unterhaltungswert, selbst wenn seine Stimme hin und wieder zu kippen droht.
«The Osbournes» – schrecklich-schräge Familie
2001 fädelt Sharon einen spektakulären Deal mit MTV ein: «The Osbournes» mausert sich zur bis dahin erfolgreichsten Doku-Soap des Senders und beschert der schrecklich-schrägen Familie nicht nur einen unglaublichen Popularitätsschub, sondern auch Probleme: Sohn Jack und Tochter Kelly kämpfen bald mit eigener Drogenabhängigkeit. «Ich hatte damals nicht damit gerechnet, dass die Show solche Schlagzeilen machten würde», gesteht Osbourne. «In Wirklichkeit mag ich Fernsehen überhaupt nicht – im Gegensatz zu meiner Frau und unseren Kindern. Ich hasse es sogar, in der Glotze aufzutreten.» 2005 diagnostizieren Ärzte bei ihm eine Nervenkrankheit, ähnlich dem Parkinson-Syndrom. Seitdem muss er täglich Medikamente gegen seine Zitteranfälle schlucken. «Ich habe immer vermutet, es sei der Alkohol und der Stoff.» Dass er immer noch da sei und sich gut fühle, sei einfach Glück.
«Eigentlich müsste ich längst tot sein.»
Viele seiner Kollegen und Freunde starben an Drogen- und Alkoholmissbrauch. Er hingegen wache morgens immer wieder auf. «Als ich 22 war, sagte ich zu einem Freund, dass ich bestimmt mit 40 tot sein werde. Damit konnte ich leben, bis ich 39½ war. Ich möchte jedenfalls noch ein bisschen hier bleiben.»
«Bislang ist mir noch niemand begegnet, der zurückkam und sagte: Hey, Ozzy, es ist wirklich cool auf der anderen Seite!»
2013 veröffentlicht er mit Black Sabbath ein letztes Studioalbum («13») und geht mit der Band auf Abschiedstournee. 2019 will er auch seine Solokarriere beenden. Ozzy Osbourne, der wahrscheinlich einzige Schwermetaller, der jemals einem Navigationsgerät seine Stimme lieh, sagt über sich selbst: «Ich bin kein ernster verdammter Sänger, ich bin einfach ein Frontmann, der versucht, Stimmung für die Menge zu machen».
Ozzy Osbourne No More Tours 2, Special Guest: Judas Priest, Mi, 27.2.19, Hallenstadion Zürich.
Quelle: luzernerzeitung.ch