Ausland

Die CDU versucht eine halbe Revolution

Die deutschen Christdemokraten wollen vor allem eines: Weiterhin in Deutschand regierena und in Europa Einfluss haben. Aber gleichzeitig versuchen sie, sich halbwegs neu auszurichten.

Wenn Parteien lange regieren, erneuern sie sich normalerweise erst, wenn sie in der Opposition landen. Doch nach 13 Jahren Regierungsverantwortung im Bund versucht sich die CDU derzeit am Kunststück einer Generalüberholung in laufender Fahrt.

Nichts anderes zeigte der CDU-Bundesparteitag in Hamburg: Aus Sicht vieler Delegierter lieferten die inhaltlichen und personellen Entscheidungen eine „halbe Revolution“. Überraschend kommt dies nicht. Denn normalerweise erlauben nur Wahlniederlagen einen radikalen Austausch des Personals und einen abrupten Bruch mit alten Konzepten. Da Angela Merkel aber weiterhin Kanzlerin bleiben soll und die CDU an der grossen Koalition mit der SPD festhalten will, stand dies gar nicht zur Disposition.

Besonders deutlich wird dies beim Personal: Die neue Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer galt auch einen Tag nach ihrer Wahl unter den CDU-Delegierten nicht als radikale Abkehr von Merkel – selbst wenn sie spätestens seit Freitag und ihrem schwer erkämpften Wahlsieg nicht mehr als „Mini-Merkel“ diffamiert werden kann.

Aufbruch und Kontinuität

Dabei bedeutet der nur knappe Sieg in der Stichwahl gegen den ewigen Hoffnungsträger des Wirtschaftsflügels, Friedrich Merz, nicht, dass fast die Hälfte der Delegierten zur Revolution bereit gewesen wäre. Denn Merz hatte in den letzten Wochen immer wieder betont, dass auch er als Parteichef unbedingt loyal zu einer Kanzlerin und zur grossen Koalition sein wolle.

Jetzt hat die CDU zwar mit Kramp-Karrenbauer und ihrem neuen Generalsekretär Paul Ziemiak zwei neue Gesichter an der Spitze – aber das Personal auf den fünf Stellvertreter-Posten blieb gleich. Und Überraschungen gab es auch im Präsidium nicht. Damit hat die CDU dieselbe Mischung aus Aufbruch und Kontinuität erreicht wie zuvor die Unions-Fraktion und der CDU-Teil des Kabinetts. Die Frage drängt sich auf, ob dies reichen wird.

Zwar holte Kramp-Karrenbauer mit Ziemiak ausdrücklich eines Anhänger des „anderen Lagers“, also der Konservativen und Wirtschaftsliberalen, mit in ihr Team – so wie Merkel dies schon mit Gesundheitsminister Jens Spahn getan hatte. Aber bereits in Hamburg wurde am Samstag deutlich, wie gross die Enttäuschung der Merz-Anhänger wirklich ist.

Merz hat noch viele Fans

„Lieber Friedrich, bleib bitte bei uns. Friedrich, wir brauchen dich!“, beschwor der Chef der Mittelstandsvereinigung (MIT), Carsten Linnemann, den unterlegenen Kandidaten. Denn schon kursierten Austrittsankündigungen unter denen, die für die CDU nur mit Merz an der Spitze eine Überlebenschance sahen. Am Samstag wurden auch die Rufe lauter, Merz müsse ins Kabinett.

Bei den Inhalten lief die Debatte ähnlich ab. Hier setzten vor allem die Junge Union und der Wirtschaftsflügel durch, dass die Partei klarere Positionen etwa zur Entlastungen bei Steuern oder Beiträgen bezog – ungeachtet, ob sich solch milliardenschwere Beschlüsse überhaupt umsetzen lassen.

„Wir können uns auch zu Tode prüfen“, wies Linnemann etwa vorsichtige Einwände gegen die Abschaffung der doppelten Krankenkassenbeiträge auf die Auszahlung von Betriebsrenten und Direktversicherungen zurück. Dabei würde dies rund 2,9 Milliarden Euro jährlich kosten – entweder die Krankenversicherten oder den Steuerzahler.

«Das letzte Einhorn in Europa»

Doch es geht um mehr als Geld. „Es geht um die Frage, wie die CDU erfolgreich sein kann“, beschrieb ein Bundesvorstandsmitglied die Lage. Merkel stand für die Philosophie, dass die CDU nichts versprechen sollte, was sie nicht umsetzen kann. Spahn und die jungen Wilden wollen dagegen ein klareres Profil – unabhängig von Realisierungsmöglichkeiten.

Es war deshalb in Hamburg kein Zufall, dass vor allem Altvordere wie Thomas de Maiziere mahnend daran erinnerten, dass die CDU ihr zentrales Profil als finanzpolitisch verantwortliche Partei nicht aufgeben dürfe. Denn ganz nebenbei hatte die CDU auch den Wunsch nach Milliarden-Mehrausgaben für die Bundeswehr und die Entwicklungshilfe beschlossen.

In Hamburg reichte es für die neue Parteichefin für Applaus noch, die CDU als das „letzte Einhorn in Europa“ zu bezeichnen, weil sie die einzige verbliebene Volkspartei sei. Wohlweislich hielt sich Kramp-Karrenbauer aus der Schlacht ums Profil heraus, um die Kluft nicht noch zu vertiefen. Bevor sie Einhorn-Träume gefahrlos stören kann, muss sie erst ihre Machtbasis stärken. Dabei hat Kramp-Karrenbauer mit ihrem Pochen auf finanzpolitische Solidität in einem Reuters-Interview bereits deutlich gemacht, was sie will – keine Revolution.

Quelle: AWP

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