Politik

Die Frau, die Bundesrätinnen macht

Ein Novembermorgen in Brig. CVP-Nationalrätin Viola Amherd lädt Journalisten in eine Lounge-Bar und erklärt, warum sie für den Bundesrat kandidiert. Während die Oberwalliserin in die Mikrofone spricht, ist Brigitte Hauser-Süess immer in ihrer Nähe und macht sich eifrig Notizen. Ein paar Wochen später, Interview mit der Kandidatin in Bern, ein ähnliches Bild. Amherd stellt sich den Fragen, Hauser-Süess sitzt mit am Tisch und notiert ihr schon mal diskret ein Stichwort auf einem Blatt Papier. Es ist eine Konstellation, die typisch ist für die Kommunikationsberaterin: Sie agiert am Rande und ist doch mittendrin.

Hauser-Süess, 64, koordiniert die Medienanfragen jener Frau, die heute in den Bundesrat gewählt werden könnte. Doch der Titel «Beraterin» wird ihr, die zuletzt für zwei Bundesrätinnen gearbeitet hat, nicht gerecht. Hauser-Süess ist die wichtigste politische Weggefährtin von Amherd, die beiden Frauen aus Brig sind seit 30 Jahren eng befreundet. Sie ähneln sich nicht nur in ihren Positionen, sondern auch im Habitus und ihrem eher bescheidenen Auftreten. Für Amherd und Hauser-Süess sind männliche, von Eitelkeiten geprägte Machtrituale ein Graus, selbst wenn sie das so direkt natürlich nie sagen würden.

Interviewanfragen lehnt Hauser-­Süess vor der Bundesratswahl ab – sie stehe ja nicht im Vordergrund, sagt sie, und so kurz vor der Entscheidung fände sich ohnehin kein Termin mehr. Personen aus dem CVP-Umfeld zeichnen das Bild einer Frauenförderin und Strippenzieherin. Sie könne komplizierte Ausgangslagen präzise analysieren, sei machtbewusst und hervorragend vernetzt.

Die unsichtbare Seite der Macht

Es ist das Jahr 1992, als Hauser-Süess ihre acht Jahre jüngere Freundin Amherd dazu motiviert, sich erstmals für ein politisches Amt zu bewerben. «Du kannst dich nicht über fehlende Chancen für Frauen beschweren, aber dann Nein sagen, wenn du eine Chance bekommst», sagt sie zu ihr. Amherd schafft die Wahl in die Briger Exekutive. Zu diesem Zeitpunkt sitzt Hauser-Süess bereits im Kantonsparlament. Sie zählt innerhalb der Oberwalliser CVP zum sozialliberalen Flügel.

Brigitte Hauser-Süess wächst als Tochter eines sozialdemokratischen Gewerkschafters im Kanton Luzern auf, sie absolviert die Handelsschule und kommt im Alter von 22 Jahren ins Wallis. Hier heiratet sie den Ex-Langläufer Edi Hauser, Bronzemedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 1972, und arbeitet als Sekretärin. In die Politik steigt sie ein, als ihr Sohn in die Schule kommt: 1991 übernimmt Hauser-Süess das Präsidium der CVP-Frauen Schweiz. Als sie ihr Amt zehn Jahre später abgibt, lässt die Mutterpartei ehrfürchtig verlauten, Hauser-Süess habe wichtige Beschlüsse «entscheidend mitgeprägt». Das ist untertrieben: Unter ihrer Leitung schwenkt die CVP in der für sie so grundsätzlichen Debatte um Schwangerschaftsabbrüche auf einen liberaleren Kurs um. Als «Babymörderin» wird Hauser-Süess deswegen im Wallis auf Plakaten verunglimpft, als «Mutter der Fristenlösung» wird sie für den Prix Courage nominiert.

Derweil endet ihre politische Karriere. 1999 gelingt es Hauser-Süess nicht, sich von der CVP für eine Ständeratskandidatur nominieren zu lassen. Sie wechselt auf die unsichtbare Seite der Macht, im Departement von Ruth Metzler wird sie Pressesprecherin des damaligen Bundesamts für Flüchtlinge. 2008 dann ernennt sie BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zu ihrer Informationschefin im Justizdepartement; 2011 folgt sie ihr ins Finanzdepartement. Hauser-Süess verkauft die Politik der Bundesrätin, versucht Eindrücke zu korrigieren und bei Journalisten das gewünschte Bild zu vermitteln. Bisweilen formuliert sie Antworten so vage, dass sie als Allgemeinplatz zu fast jeder Frage passen könnten. Und nun? Wird Brigitte Hauser-­Süess auch für Viola Amherd arbeiten, sollte sie in den Bundesrat gewählt werden? Die Walliserin wird nicht auf den Rat ihrer engen Freundin verzichten, das steht fest. Dass sie die bald 65-jährige Hauser-Süess mit einem offiziellen Amt ausstattet, halten Vertraute für unwahrscheinlich. Wer Königinnenmacherin ist, braucht keinen weiteren Titel.

Quelle: luzernerzeitung.ch

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