Kultur

Eros Ramazzotti: «Kleine Kinder und eine jüngere Frau halten dich fit»

Eros Ramazzottis nasale Stimme gehört zum italienischen Kulturgut wie die Pizza. Der Popstar lädt in sein Tonstudio am unglamourösen Stadtrand von Mailand ein, um über sein neues Album «Vita Ce N’è» zu reden. Die Tür geht auf und plötzlich steht er da. Der Sänger ist grösser als erwartet – eins fünfundachtzig. Ramazzotti besitzt auch abseits der Bühne einen ergreifenden Charme: Wie er den Raum betritt, grüsst und dann ein Kompliment aus dem Ärmel schüttelt, ist eine einzige fliessende Bewegung.

Guten Tag, Signor Ramazzotti.

Ciao! Du hast aber schöne Augen! Mit deinen blauen Augen hätte ich glatt 10 Millionen Alben mehr verkauft. Komm, setzen wir uns hier auf das Sofa. (Er setzt sich) Aua, autsch!

Alles in Ordnung bei Ihnen?

Ich habe seit ein paar Tagen Rückenschmerzen. Der stürmisch-kalte Wind am Wochenende hat mich fertig gemacht.

Heute ist es mit 25 Grad ja fast sommerlich warm.

Morgen wirds aber wieder kalt, also Vorsicht. Du bist zwar noch jung, aber ich sag es dir trotzdem: Sobald man 50 wird, hat man jeden Tag neue Beschwerden. Eigentlich beginnen sie schon mit 40.

Wohnen Sie hier in ­Mailand?

Seit 1985. Zum ersten Mal kam ich 1981 hierher, als 18-Jähriger. Es war die letzte Möglichkeit für mich, mit der Musik durchzustarten. In Rom wurde ich am Konservatorium nicht aufgenommen. Mailand war meine erste Erfahrung weg von zu Hause. Die Stadt, ihre Energie und die Geschäftigkeit gefielen mir sofort.

Sie sind in Rom aufgewachsen, nahe der legendären Filmstudios von Cinecittà. Wie war das?

Das Kino war in unserem Alltag präsent. Nicht weit von unserem Haus entfernt befand sich das Studiogelände, wo Filme wie «Ben Hur» gedreht wurden. Es gab verlassene Sets, in denen man sich wie in einem Westernfilm wähnte. Manchmal hörte man sogar das «Tschak» der Regieklappen.

Wollten Sie nie Schauspieler werden?

Nein, denn ich bin mit der Musik aufgewachsen. Väterlicherseits wurde mir die Musik in die Wiege gelegt. Mütterlicherseits habe ich den Charakter des Kämpfers übernommen. Bis jetzt ist mir diese Kombination ganz gut bekommen.

Sprechen wir über Ihr neues Album «Vita Ce N’è» – «Es gibt noch Leben». Was bedeutet dieser Titel für Sie?

Ich will vermitteln: Auch wenn du in schwierigen Momenten das Gefühl hast, dass dir die Welt auf den Kopf fällt, erinnere dich, dass es noch Leben gibt.

Sie dachten kürzlich ans Aufhören. Warum machen Sie trotzem weiter?

Wegen der Leidenschaft. Sie war bei mir von Anfang an das Wichtigste. Wenn du in dem, was du machst, aufrichtig bist, dann macht dich das stärker – und ich war immer aufrichtig.

Ist der heutigen Generation diese Art zu denken abhandengekommen?

Die heutige Jugend glaubt, alles sei einfach und schnell erreichbar – no! Ich bin nicht eines Tages aufgestanden und war Sänger; das habe ich über Jahrzehnte aufgebaut. Man musste sich den Hintern aufreissen, um bei den Leuten anzukommen; zu den Heiligen beten, damit man bei einem Plattenlabel vorsprechen konnte. Heute kommt der Erfolg viel unmittelbarer. Wenn man in einer Castingshow auftritt und sofort berühmt wird, kann das gefährlich sein. Viele junge Menschen werden verheizt, weil sie nicht mehr kapieren, was real ist.

Wie kamen Sie zu dieser Erkenntnis?

Ich hatte sie schon immer verinnerlicht. Meine Familie hat mir beigebracht, nicht mein Limit zu überschreiten. Ich bin nicht der Typ, der sich von der Aussenwelt abkapselt. Ich kann keine Drogen nehmen und mich ausklinken. Ich hatte Erfolg, aber ich will mich stets verbessern.

Im Lied «Per il resto tutto bene» singen Sie: «Ich ertrage nicht die allgemeine Gleichgütigkeit.» Steckt da eine Kritik drin?

Der Titel bezieht sich ironisch auf die Frage «wie geht es dir?» und die Antwort «es geht mir gut». Es gibt diesen Zwang, sich gut zu fühlen. Vielleicht fühlt man sich mies, aber alle antworten, ihnen gehe es gut. Ich glaube, in unserer Gesellschaft herrscht viel Gleichgültigkeit. Über Facebook kann ich alles über dich sehen, aber ich spüre nicht deine Energie. Wie soll ich dich da kennen lernen? Es wird zunehmend schwieriger, sich in die Augen zu schauen und ein paar Worte miteinander zu wechseln. Capito?

Auf Ihrem neuen Album finden sich Duette mit Schlagerstar Helene Fischer sowie dem Puerto-Ricaner Luis Fonsi, der mit «Despacito» einen Welthit schrieb. Wie kam es dazu?

Helene habe ich ausgesucht, da sie in Deutschland eine einflussreiche Musikerin ist und der deutsche Markt seit je wichtig für mich ist. Luis Fonsi ist hingegen einer meiner Fans. Er hat mir sofort zugesagt. Jedes Mal, wenn wir uns hören, nennt er mich «maestro». Das ist schön, auch wenn ich mich dadurch ein wenig alt fühle (lacht).

Die Musikstile von Helene Fischer und Luis Fonsi unterscheiden sich von Ihrem Stil, wie war die Stimmung zwischen ihnen?

Das Experiment ist gelungen, vor allem mit Helene. Schlussendlich ist jede Zusammenarbeit anders, ob sie nun mit Tina Turner erfolgt, mit Anastacia oder… wie hiess sie noch mal? (Blick zu seinem Mitarbeiter) Die Amerikanerin, das war vor etwa zwanzig Jahren… (Er überlegt) manchmal hat man einfach diese Gedankenlücken… Cher! Cher! Auf jeden Fall gefällt mir dieser kulturelle Austausch und in Zukunft möchte ich ihn ausweiten.

Sie singen seit Beginn Ihrer Karriere alle Ihre Lieder auch auf Spanisch. Stimmt es, dass Sie es vor Jahren auch auf Deutsch versucht haben?

Ja, ganz am Anfang meiner Karriere, im Jahr 1985, wollte das Plattenlabel, dass ich das Lied «Una storia importante» auf Deutsch singe. Aber daraus wurde nichts, Deutsch ist wirklich eine schwere Sprache.

Ihre grosse Leidenschaft nebst der Musik ist der Fussball. Spielen Sie noch selber?

Ja, ich kicke samstags mit meinen Freunden. Auch wenn ich nicht mehr so schnell bin wie früher, nennen sie mich «Bomber» (lacht). Aber seit ich mit dem Ernährungsberater und Fitnesstrainer von Juventus Turin zusammenarbeite, fühle ich mich wie neugeboren. Es ist wichtig, gesund zu essen und sich genug auszuruhen. Mal ganz abgesehen davon: Eine jüngere Frau und kleine Kinder zu haben, das… (lacht)

…hält Sie fit?

…Eh sì. Das und ein bestimmter Lebensstil. Ich rate zum Beispiel jedem über 30, abends leicht zu essen. Früher habe ich auf der Tournee zu unterschiedlichen Zeiten gegessen, am Ende eines Konzerts zum Teil auch nach Mitternacht. Jetzt achte ich besser auf darauf und versuche nach einem Konzert, einen Ruhetag einzubauen. Wenn ich so weitergemacht hätte wie früher, sähe ich heute wie 90 aus.

Sie feiern bald Ihren 55.Geburtstag. Gibt es ein Fest?

Meine Frau wollte ein Fest organisieren, aber ich sagte ihr: No, no, bitte mach nichts. Als 20-Jähriger feiert man die Geburtstage, aber was soll man mit 55 noch feiern, es ist einfach ein Jahr mehr. Ich bleib zu Hause mit der Familie, mein Vater besucht uns aus Rom. Bald beginnen die Vorbereitungen für die Tournee, da will ich möglichst viel Zeit mit der Familie verbringen.

Eros Ramazzotti – Vita Ce N’è World Tour: 25. März 2019, Hallenstadion Zürich

Quelle: luzernerzeitung.ch

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