Politik

Schwarzer Tag für die Mitte

Auf den grossen Erfolg folgt die grosse Ernüchterung: Nachdem die zwei Bundesrätinnen vergangene Woche mit einem Glanzresultat bereits im ersten Wahlgang gewählt wurden, müssen sie nun bei der Departementsverteilung eine Schlappe hinnehmen. Auch für ihre Parteien ist die Rochade von aussen betrachtet ein Dämpfer: Die CVP verliert das grosse Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) an die SP: Bundesrätin Simonetta Sommaruga will sich neuen Aufgaben stellen. Die FDP muss die Führung über das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) abgeben, neu wird da SVP-Mann Guy Parmelin amten. Was den Neuen bleibt? CVP-Bundesrätin Viola Amherd übernimmt das ungeliebte Verteidigungsdepartement, FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter das Justizdepartement.

Der grossen Rochade ging ein hartes Ringen im Bundesrat voraus. Eigentlich hätte die Departementsverteilung schon am Freitag besiegelt werden sollen, doch der Bundesrat konnte sich nicht einigen und musste am Montag deshalb noch eine Extrarunde drehen – und die Verteilung entgegen den Gepflogenheiten per Abstimmung vornehmen.

Besonders die CVP dürfte das Ergebnis schmerzen. Die Partei kann sich zwar damit brüsten, die erste Frau an der Spitze der Schweizer Armee zu stellen. Im Gegenzug dürfte die CVP im Bundesrat aber markant an Einfluss verlieren. Mit dem VBS wird ihre einzige Bundesrätin ausgerechnet in jenes Departement abgeschoben, das den geringsten Einfluss, die wenigsten Querschnittsfunktionen und doch viele Probleme mit sich bringt. Entsprechend ist es unbeliebt – auch Amherd wurde das Departement von den Kollegen zugewiesen. Per Mehrheitsentscheid, wie Vizekanzler André Simonazzi an der Medienkonferenz sagte. Trotzdem will CVP-Präsident Gerhard Pfister diese Herausforderung als Chance sehen, nach 23 Jahren SVP-Vorherrschaft die verkrusteten Strukturen aufbrechen (siehe Interview rechts).

Cassis als Zünglein an der Waage

Auch die FDP ist nicht wirklich zufrieden. Fraktionschef Beat Walti verhehlt nicht, dass seine Partei gerne weiterhin das WBF verantwortet hätte. «Als Wirtschaftspartei war es unsere erste Priorität, dort die liberale Politik von Johann Schneider-Ammann fortsetzen zu können», sagt er. Dabei war es dem Vernehmen nach ausgerechnet FDP-Aussenminister Ignazio Cassis, der den Weg für die Rochade geebnet hat: Nachdem Finanzminister Ueli Maurer dem Wunsch seines SVP-Parteikollegen Parmelin nach einem Wechsel zugestimmt hatte, soll auch Cassis den Wechsel abgenickt haben. Und weil Karin Keller-Sutter ihrem Parteikollegen nicht in den Rücken fallen wollte, gab auch sie ihr Einverständnis.

Walti sagt: «Nun steht die SVP im Fokus. Parmelin muss zeigen, dass er sein neues Departement auch wirklich meistern kann.» Da der Verteidigungsminister sein wichtigstes Geschäft, die Erneuerung der Luftverteidigung, unfertig zurücklässt, wird ihm unterstellt, er fliehe aus dem Departement. Davon will Guy Parmelin nichts wissen: Andere Bundesräte hätten das Departement schon nach weniger als drei Jahren gewechselt, sagte er am Montag. Und das Projekt Air 2030 sei auf gutem Weg. Sukkurs erhält Parmelin aus seiner Partei. Die Kampfjet-Beschaffung sei aufgegleist, sagt Fraktionschef Thomas Aeschi. Sie müsse nun von Nachfolgerin Viola Amherd weitergeführt werden. «Die SVP wird sie beim eingeschlagenen Kurs unterstützen.»

SVP soll mit Uvek geliebäugelt haben

Das Verteidigungsdepartement hätte auch Keller-Sutter zufallen können. Sie hätte gemäss dem Anciennitätsprinzip als Letzte wählen dürfen, weil sie eine halbe Stunde nach Amherd gewählt wurde. Dass nun Keller-Sutter nicht im VBS landete, sondern das Justizdepartement vorzog, zeigt, dass hier die FDP-SVP-Mehrheit ein zweites Mal spielte. Für Keller-Sutter ist das EJPD ein Heimspiel, sie bringt viel Wissen mit, da sie von 2000 bis 2012 im Kanton St. Gallen das Sicherheits- und Justizdepartement leitete. Zusammen mit dem damaligen Justizminister Christoph Blocher verfolgte sie als Präsidentin der kantonalen Justizdirektoren in der Asylpolitik eine harte Linie. Allerdings setzte sie in ihren sieben Jahren als Ständerätin alles daran, sich von diesem Image zu lösen. Sie schärfte ihr Profil in Sozial- und Wirtschaftspolitik und schmiedete Päckli – auch mit Links. Im WBF hätte sie diese Qualitäten ausspielen können. Jetzt muss sie sich stattdessen wieder der Migration widmen – und Guy Parmelin dem heissen Eisen Europapolitik. Er muss mit den Gewerkschaften eine Lösung bei den flankierenden Massnahmen finden, um das Rahmenabkommen mehrheitsfähig zu machen.

Am Schluss konnten SP und SVP jubilieren. Die beiden Parteien besetzen mit ihren Bundesräten nun die Schlüsseldepartemente. Gesundheit, Soziales und Infrastruktur sind in SP-Hand. Finanzen, Wirtschaft, Bildung und Forschung sind bei der SVP. Da erscheint der SVP-Ärger über die SP im Uvek eher kleinlich. Sommaruga werde den Umwelt- und Energiebereich mit neuen Auflagen regulieren, sagt Aeschi. «Das wird mehr Geld kosten und am Schluss auf den Steuerzahler zurückfallen.» Vielleicht drückt da etwas Neid durch: Dem Vernehmen nach wollte die SVP ins Uvek drängen.

Frauen mit militärischer Macht

Lange Zeit war es undenkbar, die traditionelle Männerdomäne Militär in Frauenhand zu geben. Dass Frauen Verteidigungsministerien führen, ist inzwischen jedoch normal. Wie in vielen Bereichen hat auch in diesem ein Umdenken stattgefunden. Eine Frau als Verteidigungsministerin ist vor allem in der westlichen Welt normal geworden. In Finnland, Kanada und Norwegen gab es bereits in den 1990er-Jahren Verteidigungsministerinnen. Aktuell leiten in Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Äthiopien Frauen das Militärdepartement. Jetzt zieht die Schweiz nach.

Bekannteste Vertreterin ihrer Zunft ist die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Armeeressort nach der Bundestagswahl 2013 übernommen. Von der Leyen führt das Ministerium souverän, wenn auch das deutsche Militär nicht vor Skandalen gefeit ist. Davon waren aber auch ihre ausschliesslich männlichen Vorgänger betroffen. Von der Leyen, von Kritikern auch despektierlich «Flinten-Uschi» genannt, hat sich als Militärministerin etabliert.

Qua Amt in die Rolle der Oberbefehlshaberinnen gekommen sind verschiedene Premierministerinnen. Margaret Thatcher zum Beispiel, zwischen 1979 und 1990 britische Regierungschefin. Die Eiserne Lady hat in dieser Zeit im Falklandkrieg gegen Argentinien (1982) den Waffengang erprobt. Militärisch war das Unterfangen erfolgreich. Ein weiteres Beispiel ist Golda Meir, die von 1969 bis 1974 Israel regierte. Sie war die bisher einzige Premierministerin des Landes und amtete auch als Ober­befehlshaberin der Armee. In Israel sind Militäreinsätze Dauerthema, so auch für Golda Meir. In ihre Regierungszeit fiel der Jom-Kippur-Krieg von 1973. (dlw)

Quelle: luzernerzeitung.ch

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