Makroökonomie

Wer sind die geheimnisvollen Aktienverkäufer?

Der cash Insider mit interessanten Beobachtungen rund ums momentane Geschehen an den Aktienmärkten – Und: Eine amerikanische Investmentbank stösst sich plötzlich an der Qualität der Credit Suisse.cash Insider

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An den Aktienmärkten hat zweifelsohne ein Umdenken stattgefunden. Was in den letzten Jahren stets funktionierte, scheint seine Gültigkeit verloren zu haben. Nicht nur, dass Kursschwächen nicht länger zum Kauf von Aktien genutzt werden. Vielmehr werden Kurserholungen genutzt, um sich von Aktien zu trennen. Auf „buy the dip“ folgt „sell the rally“ – wie das im angelsächsischen Börsenjargon so schön heisst.

Mit interessanten Erhebungen zu diesem Thema wartet Morgan Stanley auf. Wie die amerikanische Investmentbank vorrechnet, kostete das Nutzen von Kursschwächen in diesem Jahr zum ersten Mal seit 13 Jahren Geld.

In den letzten Tagen wurde ich mehrfach gefragt, welches Anlegerlager denn jetzt eigentlich für die Börsenturbulenzen der letzten Wochen verantwortlich sei. Seit wenigen Wochen stehen auch beliebte Aktien unter Verkaufsdruck. Selbst für erfolgreiche Unternehmen wie den Peripheriegerätehersteller Logitech, die Bankensoftwareschmiede Temenos oder den Dentalimplantatehersteller Straumann ist die Börse nicht länger eine Einbahnstrasse nach oben.

Während J.P. Morgan passive Aktienfonds für dieses Phänomen verantwortlich macht, bin ich mir dessen nicht ganz so sicher. Denn dann würden die Standard- und nicht die Nebenwerte am stärksten in Mitleidenschaft gezogen. In einem Punkt muss ich der amerikanischen Investmentbank allerdings Recht geben: Passive Aktienfonds – mit verwalteten Vermögen in Höhe von 7,4 Billionen Dollar eine ziemliche Macht – erweisen sich an den Aktienmärkten als trendverstärkend. Das gilt sowohl für steigende als auch für fallende Märkte.

Ich selber vermute eher Algorithmen hinter den Börsenturbulenzen der letzten Wochen – im Wissen, dass der Programmhandel auch hierzulande für geschätzte 60 bis 80 Prozent der Handelsvolumina verantwortlich ist. Wenn beliebte Aktien wie jene von Logitech, Temenos und Straumann plötzlich Verkaufssignale geben, zögern diese Algorithmen nicht und werfen diese Papiere auf den Markt. Der Programmhandel macht keine Gefangenen, so liesse sich sagen.

Mit einem weiteren Mitverantwortlichen wartet die Deutsche Bank auf. Ihres Erachtens tragen auch die Leerverkäufer eine Schuld an den Kursverlusten. Aktuelle Statistiken scheinen diese Vermutung bestätigen zu wollen (siehe Vier SMI-Firmen im Visier der Leerverkäufer vom 26. November).

Und die deutsche Grossbank berichtet gleich noch von einer interessanten Beobachtung: Die eigentliche Kraft hinter dem Höhenflug bei amerikanischen Aktien waren die Unternehmen selbst mit ihren Aktienrückkäufen (siehe nachstehende Grafik).

Apropos Aktienrückkäufe: In den letzten Monaten kauften amerikanische Unternehmen erstmals mehr eigene Aktien zurück, als dass sie in den Ausbau der eigenen Geschäftsaktivitäten investierten. Man muss kein Experte sein, um zu wissen, dass das auf lange Sicht nicht gut kommen wird (siehe nachstehende Grafik).

Dass sich alle übrigen Marktakteure hingegen aus Aktien zurückzogen, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen – bekanntlich pumpten alleine die Schweizerische Nationalbank und die Bank of Japan in den besagten Jahren etliche Milliarden in den amerikanischen Aktienmarkt…

Dass die Aktien der Credit Suisse mit höheren Risiken verbunden sind als jene der Erzrivalin UBS, ist kein Geheimnis. Während sich die grössere der beiden Schweizer Grossbanken schon vor Jahren der Vermögensverwaltung verschrieb, hält die kleinere bis heute am Investment Banking fest. Und dieses unterliegt bekanntlich starken Ertragsschwankungen.

Für Analystin Magdalena Stoklosa von Morgan Stanley waren die qualitativen Abstriche, die Anleger bei einem Investment in die Aktien der Credit Suisse gegenüber jenen der UBS in Kauf nehmen müssen, nie ein Problem. Ganz im Gegenteil: Sie sah im Investment Banking gar eine zusätzliche Ertragsquelle.

Doch das war einmal. Die Analystin nimmt den Ausblick auf das kommende Jahr zum Anlass, um die Papiere der CS von „Overweight“ auf „Equal-weight“ herunterzustufen. Nach einer Reduktion der Gewinnschätzungen um bis zu 18 Prozent beziffert sie das Kursziel noch auf 14 (zuvor 18) Franken.

Dass die Aktien in unmittelbarer Nähe zu den Mehrjahrestiefstkursen von letzter Woche bei 11,50 Franken stehen, scheint Stoklosa dabei nicht weiter zu stören. Und auch an ihrer Vorhersage, dass die Credit Suisse am diesjährigen Investorentag ein 1,8 Milliarden Franken schweres Aktienrückkaufprogramm bekanntgeben wird, hält die Analystin fest.

Ob sie mit dieser Vorhersage richtig liegt, wage ich zu bezweifeln. Denn wie immer, wenn sich der Aktienkurs der Grossbank dem einstelligen Frankenbereich nähert, werden Zweifel an ihrer Stabilität laut – selbst wenn diese ziemlich fehl am Platz sind.

Seit Wochen unterliegen die Aktien der Credit Suisse starken Kurs- und Stimmungsschwankungen. (Quelle: www.cash.ch)

Ausserdem ist fraglich, ob die Ankündigung eines Aktienrückkaufprogramms angesichts der noch hängigen Vergleiche taktisch wirklich klug wäre. Es käme einem lauten „Hergeschaut, wir haben Milliarden zum Verteilen“ gleich. Konzernchef Tidjane Thiam muss sich daher wohl etwas anderes einfallen lassen, will er die amerikanischen Leerverkäufer am diesjährigen Investorentag „contre pied“ erwischen (siehe auch Vier SMI-Firmen im Visier der Leerverkäufer vom 26. November).

Zur Erinnerung: Als die Bankenanalystin von Morgan Stanley die Aktien der Credit Suisse im Februar vor einem Jahr erstmals mit „Overweight“ – damals noch mit einem Kursziel von 17,85 Franken – zum Kauf empfahl, wurden noch Preise von etwas mehr als 15 Franken bezahlt. Davon sind wir heute weit entfernt.

Da dürfte es bloss ein schwacher Trost sein, dass sich die Analystin mit ihrer Herunterstufung nahe den Mehrjahrestiefstkursen in diesen Tagen in guter Gesellschaft befindet (siehe auch So bitte nicht, liebe Analysten vom 23. November).
 

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