Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt ist überzeugt, dass weitere Verhandlungen der Schweiz mit der EU möglich sind. Aussenminister Ignazio Cassis und EU-Politiker hingegen warnen vor einem Erodieren der Beziehungen.
Flaggen von Deutschland, Frankreich und der Schweiz bei der Dreiländerbrücke in Basel.Bild: Pixabay
Die Äusserung der EU, dass sie nicht zu Nachverhandlungen bereit sei und bei einem Abbruch der aktuellen Verhandlungen neue Gespräche erst Mitte 2020 möglich wären, „das ist Politik“, sagte der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverband, Valentin Vogt im Gespräch mit der „NZZ am Sonntag“.
Wenn die Schweiz der EU eine sinnvolle, gute Lösung unterbreite, hinter der sowohl die Schweizer Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer stünden, sei das letzte Wort vermutlich noch nicht gesprochen. „Davon bin ich überzeugt“, sagte Vogt.
Die Gewerkschaften und die Arbeitgeber hätten ein gemeinsames Interesse: „Wir wollen den bilateralen Weg mit der EU langfristig fortführen und den Lohnschutz nicht lockern“. Die Kunst sei es, dabei einen Mittelweg zu finden zwischen der Abgabe einiger Kompetenzen und der Sicherung des Zugangs zum Binnenmarkt mit der EU.
Der Arbeitgeberpräsident glaubt, dass die EU ihre „Nadelstiche“ bei der Börse, bei der Bildungszusammenarbeit oder bei den Strafzöllen auf Stahl fortsetzen könnte. Deshalb brauche es auch eine Lösung.
Eine Milliarde pro Tag
Diesen Punkt hob auch Aussenminister Ignazio Cassis in der „Samstagsrundschau“ hervor: Wenn die Verhältnisse nicht geregelt seien, gewinne immer der stärkere Teil. Das Rahmenabkommen würde die rechtliche Sicherheit schaffen, damit diese „Nadelstiche“ der EU nicht mehr vorkommen.
Zwar könne der Bundesrat auch ohne Abkommen in allen Bereichen einen Plan B ausarbeiten. Doch auch diese seien mit Kosten verbunden. „Eine geregelte Beziehung mit der EU kostet weniger, als mit Plan B zu arbeiten“, sagte Cassis.
Zwischen der Schweiz und der EU würden jeden Werktag Waren im Wert von einer Milliarde Franken ausgetauscht. Dazu brauche es gute Beziehungen und rechtliche Verträge, die den Zugang zu diesem Binnenmarkt gewährleisteten.
Heute warte in der EU niemand mehr auf die Schweiz. „Wir müssen uns proaktiv bemühen, den Marktzugang zu haben“, sagte Cassis. Sollten die Verhandlungen scheitern, so erwartet Cassis im besten Fall ein Erodieren der Beziehungen. „Im schlimmsten Fall könnte die EU auch Verträge kündigen“, sagte Cassis.
Neue Karten 2019?
Auch der süddeutsche CDU-Europaabgeordnete und Delegationsmitglied für die Beziehungen zur Schweiz, Andreas Schwab, warnt vor einem „Erodieren“ der bilateralen Beziehungen ohne Rahmenabkommen. Denn dann werde es auch keine neuen Abkommen geben, sagte Schwab dem „Sonntagsblick“. „Wir haben jetzt ein einmaliges Zeitfenster, um die Verhandlungen zum Erfolg zu führen“.
Dieses Argument lässt der ehemalige Schweizer Botschafter Paul Widmer nicht gelten: „Es gibt kein einziges Geschäft, das in nächster Zeit sofort behandelt werden müsste. Vielmehr sind es Probleme, die man längerfristig lösen muss“, sagte Widmer im „Echo der Zeit“ vom Samstag.
Beim Verhandeln sei es manchmal so wie beim Segeln: Wenn kein Wind mehr da sei, müsse man halt auf den nächsten Windstoss warten. Und damit dürfe man auch hier rechnen. Denn nicht nur die Verhandlungen, sondern auch die Umstände könnten sich ändern, sagte Widmer.
So sitzen ab dem neuen Jahr zwei neue Bundesrätinnen in der Regierung, der Schweizerische Gewerkschaftsbund hat seit Anfang Dezember einen neuen Präsidenten und in Brüssel wird im nächsten Jahr ein neues EU-Parlament und damit auch ein neuer Kommissionspräsident gewählt.
Quelle: AWP