Die CDU hat auf ihrem Parteitag nicht nur eine neue Vorsitzende gewählt, sondern auch inhaltliche Festlegungen getroffen. Deshalb stellt sich die Frage, wie dies die Arbeit in der deutschen Regierung beeinflussen wird.
Deutschlands Flagge über dem aus preussischen Zeiten stammenden «Zeughaus» im Zentrum von Berlin.Bild: Pixabay
Die grosse Koalition steht vor einer Premiere. Erstmals wird keiner der Parteivorsitzenden dem Kabinett angehören. Andrea Nahles ist SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende. Markus Söder übernimmt von Bundesinnenminister Horst Seehofer im Januar den Posten als CSU-Chef.
Das wird die grosse Koalition vor eine neue Herausforderung stellen, weil sich auf allen Seiten die Machtzentren vermehren. Bei der CDU muss sich Kramp-Karrenbauer nun mit der Kanzlerin und dem Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus abstimmen. Thüringens CDU-Landeschef Mike Mohring hat deshalb in der „Rheinischen Post“ gefordert, dass Kramp-Karrenbauer ins Kabinett geholt werden sollte.
Kramp-Karrenbauer gilt als komptibel
Kramp-Karrenbauer galt schon vor der Wahl als die „Groko-kompatibelste“ der drei Kandidaten für den CDU-Chefposten. Sie bekannte sich nach der Wahl ausdrücklich zum Koalitionsvertrag. Und sie betonte, dass sie alles tun werde, um Kanzlerin Merkel zu unterstützen. Das Signal aus Hamburg ist also eher eines der Stabilität der Regierung – was auch die Mehrheit der Unions-Fraktion beruhigen dürfte.
Bei einer Wahl von Friedrich Merz war befürchtet worden, dass er gezielt nach Sollbruchstellen in der Koalition suchen würde – schon um die Kanzlerschaft von Merkel schneller zu beenden und selbst eine Chance auf eine Kanzlerkandidatur zu haben. Der Zeitplan von Kramp-Karrenbauer reicht aber bis 2021 und ist damit mit der Planung Merkels vereinbar, diese Legislaturperiode noch als Kanzlerin zu beenden. Die CDU-Chefin will bis 2020 zunächst den Reformprozess der Partei abgeschlossen haben.
Informelle Verabredung
Seit Beginn der grossen Koalition gilt für CDU, CSU und SPD eine informelle Verabredung: Sie haben ein gemeinsames Regierungsprogramm – aber sie dürfen sich daneben als Parteien in ihrem Profil stärker voneinander abgrenzen. Dies wird sogar als überlebensnotwendig angesehen: Denn die grosse Koalition ist ein ungeliebtes Not-Bündnis, das nur deshalb zustande kam, weil die FDP die Jamaika-Sondierungen platzen liess. Alle drei Parteien verloren nach Ansicht der Parteispitzen aber vor allem wegen des erneuten gemeinsamen Bündnisses stark an Zustimmung.
Die CDU hatte bereits auf ihrem letzten Parteitag einen Beschluss zur Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft gefasst, der im Koalitionsvertrag keinen Niederschlag findet. In Hamburg stimmte die CDU nun für die vollständige Abschaffung des Solidarbeitrages bis 2021 – was der Koalitionspartner SPD bereits abgelehnt hat.
Dies könnte spätestens bei der vereinbarten Zwischenbilanz der grossen Koalition Thema werden, weil der Wirtschaftsflügel der CDU auf dieser Entlastung besteht, die allerdings mit zehn Milliarden Euro zu Buche schlägt. Kramp-Karrenbauer selbst hatte im Reuters-Interview schon davor gewarnt, dass ein ausgeglichener Haushalt weiter Priorität habe. Zumal sich die CDU in Hamburg auch für steigende Ausgaben für die Bundeswehr aussprach.
Streit um Abtreibungen
Die vom Parteitag ebenfalls beschlossene Abschaffung der anfallenden doppelten Beiträge der Kranken- und Pflegeversicherung bei der Auszahlung von Betriebsrenten und Direktversicherungen ist dagegen weniger strittig. Die SPD hat hier bereits Zustimmung signalisiert. Der Finanzminister sieht dies weniger entspannt. Es geht um mögliche Lasten von 2,9 Milliarden Euro jährlich für den Bundeshaushalt.
Schwieriger könnten die Debatten über eine Reform des Paragrafen 219a werden, der das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche regelt. In der Bundesregierung steht die Arbeitsgruppe um Justizministerin Katarina Barley, Gesundheitsminister Jens Spahn und Innenminister Horst Seehofer vor einer Einigung – die nur mit Blick auf den CDU-Parteitag verschoben wurde.
Aber die neue CDU-Chefin sprach sich in Hamburg gegen eine Abschaffung des Werbeverbots aus. „Schwangerschaftsabbrüche dürfen nicht so behandelt werden wie ganz normale medizinische Eingriffe. Das passt nicht zu einer Partei mit dem ‚C‘ im Namen“, sagte sie. Das lässt Spielraum für einen Kompromiss. Aber die saarländische Katholikin Kramp-Karrenbauer gilt bei dem Thema als härter als die protestantische Ostdeutsche Merkel.
Quelle: AWP